Der Vampir by Jurij A. Treguboff

Der Vampir by Jurij A. Treguboff

Autor:Jurij A. Treguboff [Treguboff, Jurij A.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-09-01T17:00:00+00:00


DAS GERICHT

Die Gerichtsverhandlung, die die Schuld oder Unschuld des Priesters Welikanoff, der als Kultdiener, so nennt man in der Parteisprache die Geistlichen, in der Marienkirche des Neu-Jungfrauen-Klosters tätig und wegen Mordes an dem bevollmächtigten Kommissar Wsadnikoff angeklagt war, wurde eröffnet.

Alexej Iwanowitsch war viel früher als nötig gekommen. Der Termin war auf zehn Uhr morgens festgesetzt worden, während er sich bereits um acht Uhr in eine Ecke des Saales setzte und die Vorgänge beobachtete.

Die Gerichtsverhandlung sollte im großen Saal des Moskauer Kreisgerichts in der Spiridonowka-Straße stattfinden. Das finstere, schwarze Haus war wie geschaffen für solch düstere Schauspiele. Früher fanden dort Sitzungen statt, die man noch nicht, wie die heutigen, als Farcen bezeichnen konnte.

Alexej Iwanowitsch kannte und spürte den Hauch der vorrevolutionären Gerichtshöfe. Jetzt gab es nicht mehr diese vielfach historisch gewordenen Gerichte, die Revolutionstribunale aus den Jahren des Bürgerkrieges, als sich fast das ganze Land im Typhusalptraum wälzte, und ein Angeklagter entweder freigesprochen oder erschossen wurde. Dies hier war auch ein revolutionärer Gerichtshof, aber ohne die glühende Lava des revolutionären Pathos. Hier war schon Juristerei am Werke, man fällte ein Urteil nicht allein nach dem proletarischen Gewissen.

Alles war bereits vorbereitet. Auf einem Podest, das schon bessere Verhandlungen erblickt hatte, stand ein langer, schmaler Tisch, bedeckt von einem roten Tuch. Genau in der Mitte des Tisches, wo der Vorsitzende seinen Platz hatte, stand ein eichenes Postament mit einer Gipsbüste Lenins. Über der Büste an der Wand hing ein großes Bild von dem verfetteten Karl Marx, links von ihm Engels, und rechts Karl Liebknecht mit Kneifer.

Komisch, dachte Alexej Iwanowitsch, alles Deutsche. Die Zaren, im letzten Jahrhundert waren Deutsche, ebenso wie die revolutionären Meister.

Rechts war ein durch ein Geländer abgegrenzter Raum, vermutlich der Platz des Angeklagten, links zwei Bänke für die Zeugen. Der untere Teil des Saales war mit einer Menge ziemlich abgeschabter Bänke ausgefüllt, die durch eine Reihe verschiedenartigster Stühle der berühmten Wiener Art ergänzt wurden.

Hier also, dachte Alexej Iwanowitsch, hier also liefert die revolutionäre Gewissenlosigkeit dem revolutionären Gewissen seine Entscheidungsschlacht.

Unter dem Bild von Karl Marx öffnete sich eine kleine Tür und das kneiferbewehrte Gesicht von Koslik erschien. Sieh an, der ist also schon zur Stelle! Koslik bemerkte ihn nicht, oder tat wenigstens so. Es wird bald losgehen, dachte Alexej Iwanowitsch.

Jemand schrie mit schriller Stimme:

„Bitte, nicht rauchen, Genossen!“

Ein alter, bärtiger Mann brachte zwei weiße Spucknäpfe und stellte sie an den beiden Seiten der Tür auf.

Immer neue Menschen betraten den Saal. Es roch nach Machorka, Frostluft und Kohlsuppe. Neben Alexej Iwanowitsch setzte sich ein Mann, der einen starken Duft nach Mottenpulver ausströmte. Viele Frauen waren im Saal. Schüchtern traten einige Priester ein, begleitet von einem Milizionär, der sie bis ganz nach vorn führte. Dann kamen einige Nonnen, um die sich aber niemand kümmerte. An der Seite, rechts vom Podest der Gerichtsherren und dem Sitz des Angeklagten, nahmen zwei sehr intelligent aussehende Frauen und zwei Männer Platz. Das sind die Stenotypistinnen und Protokollführer, dachte Alexej Iwanowitsch.

Ein paar ihm bekannte Gesichter, der Inspektor der ersten Schule des Moskauer Volksbildungsbezirks, die komplette Lehrerschaft, darunter dieser, wie hieß



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